Migration und Flüchtlingsbewegungen weltweit

Nachricht 15. April 2016
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LWB-Generalsekretär Dr. h.c. Martin Junge. Foto: LWB/F. Hübner

Martin Junge spricht auf dem parlamentarischen Abend der Konföderation

Lutheraner-Generalsekretär lobt deutschen Einsatz für Flüchtlinge

Hannover/Genf (epd). Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Martin Junge, hat die niedersächsischen Landtagsparteien und Kirchen ermutigt, ihr Engagement für Flüchtlinge unvermindert fortzusetzen. "Halten Sie weiter an der Botschaft fest, dass Flüchtlingen menschlich begegnet werden muss", sagte Junge bei einem Parlamentarischen Abend der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen am Donnerstag in Hannover: "Machen Sie mit, gestalten Sie!"

Wer behaupte, Europa müsse seine Grenzen dicht machen, um seine christliche Identität und Wurzeln zu schützen, der habe nichts verstanden vom christlichen Glauben und seinem Gebot der Nächstenliebe, sagte der evangelische Theologe laut Redemanuskript. Vor diesem Hintergrund würden die Kirchen gebraucht, um nicht nur Flüchtlingen, sondern auch Einheimischen Orientierung zu geben. Dies müsse in Zusammenarbeit mit politischen Akteuren etwa in Städten oder Kreisen geschehen.

Die parlamentarische Demokratie ihrerseits stehe vor der Aufgabe, in der Flüchtlingsfrage bindende Verpflichtungen aus der Geschichte, aber auch nachhaltige Zukunftsperspektiven einzubringen und zu benennen. Sie müsse einem Zeitgeist entgegenwirken, der nur auf die Gegenwart fokussiert sei: "Es ist dieses Kurzfristige, das dem grassierenden Populismus in der Politik weltweit Vorschub leistet."

Politik und Kirche müssten dem Hass und der Gewalt gegen Flüchtlinge mit deutlicher Zurückweisung begegnen. Zugleich seien sie aufgefordert, auf die Fragen und Existenzängste der Menschen einzugehen. "Wenn existenzielle Sorgen den radikalen Gruppen überlassen werden, dann wird die Existenz einer gesellschaftlichen Mitte mit ihren Grundkonsensen gefährdet", mahnte Junge.

Der Lutherische Weltbund mit Sitz in Genf ist ein Zusammenschluss von 145 Mitgliedskirchen in 98 Ländern. Er repräsentiert weltweit mehr als 72 Millionen Christen. Als fünftgrößter Partner des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen wirkt der Weltbund aktuell nach eigenen Angaben an der Betreuung von weltweit rund 2,3 Millionen Flüchtlingen mit. Gegründet wurde der Dachverband im Jahr 1947 unter anderem als Reaktion auf die neue geopolitische Aufteilung Europas nach dem Zweiten Weltkrieg und die daraus resultierende massive Migration und Vertreibung.

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Junge: Europäische Gemeinschaft versagt in Flüchtlingskrise

epd-Gespräch: Björn Schlüter

Hannover (epd). In Europa fehlt nach Ansicht des Generalsekretärs des Lutherischen Weltbundes (LWB), Martin Junge, der politische Wille, die Flüchtlingskrise gemeinsam zu bekämpfen. "Weder gegen die Ursachen der Flucht, noch gegen ihre Erscheinungsformen wird wirksam gearbeitet", sagte Junge im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag in Hannover. Die Anstrengungen zur Aufnahme von Flüchtlingen in einzelnen Staaten wie Deutschland seien lobenswert und richtig, sie reichten aber nicht aus.

Wenn stattdessen sogar Mauern oder Zäune gebaut würden, werde damit das Problem nicht gelöst, mahnte Junge. "Die Schutzsuchenden verschwinden nicht dadurch, dass sie ferngehalten werden." Der Generalsekretär warnte zudem davor, von einer europäischen Krise zu sprechen. "Weltweit haben wir rund 60 Millionen Menschen, die als Binnenvertriebene, Asylsuchende oder Flüchtlinge gelten." 59 Millionen hätten außerhalb Europas Zuflucht gefunden oder hielten sich dort auf. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass lediglich eine Million Flüchtlinge im vergangenen Jahr nach Europa gekommen seien.

Junge beklagte eine "bedauerliche Geschichtsvergessenheit" der Menschen. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe die Gesellschaft es geschafft, die Versorgung von 50 Millionen Flüchtlingen zu stemmen. "Das geschah mit weit weniger Mitteln als sie heute zur Verfügung stehen. Der Reichtum ist in den vergangenen 70 Jahren sicherlich nicht kleiner geworden."

Vor diesem Hintergrund kritisierte der Generalsekretär das Abkommen der Europäischen Union mit der Türkei zur Rückführung aller Migranten, die illegal aus der Türkei über das Meer auf die griechischen Ägäis-Inseln kommen. "Ganz konkret halte ich es für eine Entwicklung mit unabsehbaren Konsequenzen, wenn damit spezifische Aspekte der Menschenrechte und der Flüchtlingskonvention untergraben werden."

Der Weltbund habe bereits Erfahrungen, was Hilfen bewirken könnten, die über den den eigenen Tellerrand hinausblickten, sagte Junge. So gebe es unter anderem ein gemeinsames Engagement von LWB und der humanitären Hilfsorganisation Islamic Relief Worldwide für syrische Flüchtlinge in Jordanien. "Christen und Muslime versorgen Schutzsuchende gemeinsam. Wenn denen irgendwer vorher gesagt hat, Konflikte basieren auf Religionen, so zeigen wir unmissverständlich: 'Vergesst das!' Diese Form von übergeordneter Hilfsbereitschaft müssen wir ausbauen."

Zum Nachlesen

Dr. Martin Junge
Migration und Flüchtlingsbewegungen weltweit (2016)
Vortrag des Generalsekretärs des Lutherischen Weltbundes
auf dem parlamentarischen Abend der Konföderation am 14.4.2016