Wohin mit den Castor-Behältern?

Nachricht 04. März 2021

Suche nach einem Endlager für hitzeentwickelnden Atommüll – auch in Niedersachsen

Mit dem Beginn der Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Suche nach einem Standort für die Endlagerung hochradioaktiven AKW-Atommülls hat sich der Arbeitskreis „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen auf seiner jüngsten Sitzung beschäftigt. Er kritisiert sowohl den Start der Öffentlichkeitsbeteiligung unter Corona-Bedingungen als auch die Unfertigkeit des von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) vorgelegten Teilgebiete-Berichtes.

Vom 5.-7. Februar fand der erste Beratungstermin der gesetzlich vorgesehenen „Fachkonferenz Teilgebiete“ statt. Hier sollte der von der BGE vorgelegte Teilgebiete-Bericht diskutiert werden. Unter den etwa 800 Teilnehmenden war auch Andreas Riekeberg, stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises und Mitglied der AK-Fachgruppe „Atommüll/Atomkette“.

Der Arbeitskreis war sich nach der Vorstellung der Ergebnisse des ersten Beratungstermins einig: Die Teilgebiete-Konferenz sollte erst dann fortgesetzt werden, wenn dies nach der Pandemie und als Präsenzveranstaltung möglich ist. Eine reine Online-Konferenz zumal zur Zeit der Corona-Pandemie ermöglicht keine zureichende Beteiligung der Öffentlichkeit.

Birgit Stelzmann, ebenfalls Mitglied der Fachgruppe „Atommüll/Atomkette“ kritisiert den Zeitpunkt, zu dem die Beratung der Teilgebiete Konferenz begann: „Viele Menschen haben gerade jetzt existenzielle Sorgen und können sich nicht auf ein solch langfristiges Thema konzentrieren, schon gar nicht junge Leute, deren Studium oder Ausbildung durch die Pandemie gefährdet ist. Die Erzwingung der Teilgebiete-Konferenz mitten in der Pandemie ist unsensibel gegenüber all denen, die durch prekär gewordene Arbeits-, Lebens- und Gesundheitsbedingungen voll der Sorgen sind.“

Tobias Schäfer-Sell, Vorsitzender des Arbeitskreises ergänzt: „Es ist uns völlig unverständlich, warum das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) nicht auf die Corona-Situation reagiert hat und die Einberufung der Teilgebiete-Konferenz auf das zweite Halbjahr

2021 oder das Jahr 2022 verschoben hat. Auch der Bundestag hätte bei seiner Feststellung der pandemischen Lage von nationaler Tragweite mit einer Novelle des StandAGs beschließen können, dass die ‚Fachkonferenz Teilgebiete‘ erst nach Ende dieser pandemischen Lage einberufen werden soll. Hier ist der Umweltausschuss besonders gefordert.“

Außerdem gibt es am vorgelegten Teilgebiete-Bericht der BGE erhebliche Beanstandungen. Die BGE sollte vor Fortsetzung der Beratungen der Konferenz zunächst einen gesetzeskonformen und ausreichend fertiggestellte Bericht erstellen und der Öffentlichkeit übergeben.

Andreas Riekeberg führt dazu aus: „Zu beanstanden ist zum einen, dass bei etlichen Teilgebieten verschiedene Kriterien nur mit Referenzdaten bewertet wurden, nicht aber mit standortspezifischen, konkret gemessenen Daten. Dem Standortauswahlgesetzes (StandAG) zufolge dürfen jedoch nur die beiden ersten der elf Kriterien mit Referenzdaten der jeweiligen Gesteinsarten bewertet werden, solange keine konkreten standortspezifischen Daten vorliegen. Nicht aber dürfen – wie geschehen – die Kriterien 3 bis 11 anhand von Referenzdaten bewertet werden. Schon von daher muss der Bericht dringend überarbeitet werden. (1)

Zum anderen sei zu beanstanden, dass die Daten der geologischen Landesämter noch nicht vollständig ausgewertet wurden. Die BGE müsse diese Daten auswerten und einarbeiten, um einen möglichst präzisen Teilgebiete-Bericht auf dem aktuellen Stand der Datenlage zu erstellen.“ (2)

Der Arbeitskreis kommt zu der Schlussfolgerung: „Wichtige Voraussetzungen für einen Start der Fachkonferenz Teilgebiete sind noch nicht gegeben. Daher verwundert die allgemeine Unzufriedenheit in der Anti-Atom-Bewegung mit dem Verlauf und den Ergebnissen des ersten Beratungstermins nicht. Niedersächsische Gruppen und Kommunen könnten sich allerdings wesentlich stärker im Endlager-Suchprozess engagieren als bisher, damit das Verfahren nicht von sachfremden Interessen geleitet wird.“ (3)

Kontakte:

Vorsitz:
Tobias Schäfer-Sell
Hannover
Tel.: 0511/1215-292

Koordinator Fachgruppe „Atommüll/Atomkette“:
Andreas Riekeberg
mobil: 0170-1125746

Homepage:
https://www.evangelische-konfoederation.de/die_konfoederation/Gerechtigkeit_Frieden_Bewahrung-der-Schoepfung

(1) Der BGE-Bericht hat nicht §13(2) des Standortauswahlgesetzes (StandAG) angemessen umgesetzt, der bestimmt: „sofern Gebiete vorhanden sind, die aufgrund nicht hinreichender geologischer Daten nicht eingeordnet werden können, sind diese ebenfalls aufzuführen und ist eine Empfehlung zum weiteren Umgang mit diesen Gebieten aufzunehmen.“ Doch auch nicht hinreichend einzuordnende Gebiete sind durch die Verwendung von Referenzdaten als Bestandteile von Teilgebieten ausgewiesen worden, teilweise sind dies Gebiete mit einer Größe von mehreren 10.000 Quadratkilometer. Z.B. Teilgebiet 4 mit 62 885 km², es „umfasst Gebiete der Bundesländer Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und Sachsen-Anhalt“.
Teilgebiet 9 mit 32 655 km² „erstreckt sich von Südwesten über Baden-Württemberg, Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt, dem südlichen Brandenburg und Sachsen“ Teilgebiet 13 mit 36 836 km² „erstreckt sich von Südwesten über Baden-Württemberg und Bayern im Süden von Deutschland“.

(2) Teilweise lag die Unvollständigkeit der Daten auch daran, dass der Bundestag erst am 30. Juni 2020 das Geologiedatengesetz beschlossen hat, obwohl die EU schon im Jahr 2007 eine Richtlinie zur Geodateninfrastruktur beschlossen hatte. Die verbleibende Zeit zwischen Inkrafttreten des Gesetzes und der Vorlage des BGE-Berichtes war zu knapp.
Auf der Konferenz wurde zudem kritisiert, dass die BGE nur Daten bereitstelle, die eine Ausweisung als Teilgebiet begründen, nicht aber Daten, die einen Ausschluss von Gebieten begründen könnten. Dadurch seien Entscheidungen des BGE nicht nachvollziehbar.

(3) Im Vorfeld des Beratungstermins gab es beispielsweise eine erhebliche Mobilisierung unter Kommunalbeamten und Angestellten von Gebietskörperschaften in Bayern. Dies spiegelt sich wider in der Zusammensetzung der Vorbereitungsgruppe für den nächsten angesetzten Beratungstermin im Juni.
Allein aus dem Landkreis Wunsiedel/Fichtelgebirge wurden drei von zwölf Plätzen besetzt, zwei durch Angestellte des Landkreises und einer durch eine Bürgermeisterin. Ein weiterer Platz wird von einem Bürgermeister aus einem Nachbarkreis eingenommen.

Arbeitskreis Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen