Werkstattgespräch zum Christlichen Religionsunterricht (CRU)

Nachricht 03. Dezember 2021
Die Schulreferent:innen Dr. Kerstin Gäfgen-Track (oben links) und Dr. Winfried Verburg (oben rechts) stellen sich den Fragen von Journalist Lothar Veit (unten).

Rund 100 Religionslehrkräfte aller Schulformen diskutieren mit Kirchenvertreter:innen

Rund 100 Religionslehrkräfte haben am 1. Dezember bei einem Online-Werkstattgespräch mit Vertreter:innen beider großer Kirchen in Niedersachsen über den geplanten Christlichen Religionsunterricht (CRU) diskutiert. Ursprünglich sollte der CRU Schwerpunktthema beim dreitägigen Lehrkräfteforum im Hannover Congress Centrum sein; die Veranstaltung musste aus pandemischen Gründen aber kurzfristig abgesagt werden.

Geht es nach den Verfasser:innen eines CRU-Positionspapiers, so soll dieser von den evangelischen Kirchen und katholischen Bistümern in Niedersachsen gemeinsam verantwortete Unterricht den getrennten evangelischen und katholischen Religionsunterricht ablösen. In einer Online-Umfrage zu Beginn des Werkstattgesprächs nannte die Mehrzahl der Lehrkräfte den Schritt „zeitgemäß“, „sehr sinnvoll“, „überfällig“ und auch mit Blick auf die evangelisch-katholische Ökumene „zukunftsweisend“. Andere betonten den Wert des bisherigen konfessionell getrennten Unterrichts und befürchteten eine stärkere Abgrenzung gegenüber anderen Religionen. Bedenken wurden zudem bezüglich des Zeitplans laut. Bereits zum Schuljahr 2023/2024 soll der CRU schrittweise eingeführt werden, was manche Teilnehmende für „überstürzt“ hielten.

Den Fragen der Religionslehrkräfte stellten sich die Mitautor:innen des Positionspapiers Dr. Kerstin Gäfgen-Track, Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, und Dr. Winfried Verburg, Leiter der Abteilung Schulen und Hochschulen des Bischöflichen Generalvikariats Osnabrück. Kerstin Gäfgen-Track verwies darauf, dass der seit einem halben Jahr laufende Diskussionsprozess offen sei und zunächst die Meinung vieler Beteiligter eingeholt werden solle. Ebenso wie Winfried Verburg sieht sie aber eine gewisse Dringlichkeit. Dies habe unter anderem mit der „Religionsdemographie“ zu tun: Nach Hochrechnungen der Uni Freiburg müssen die beiden großen Kirchen bis zum Jahr 2060 mit 58 Prozent weniger getauften Schüler:innen rechnen. Das Mehrheitsfach werde daher langfristig „Werte und Normen“ werden, weil die meisten Schüler:innen einer anderen oder keiner Religionsgemeinschaft angehören werden.

„Kein Akt der Notwehr“

Ein „Akt der Notwehr“ sei der CRU aber nicht, so Gäfgen-Track: „Die christliche Botschaft ist nach meiner Überzeugung immer noch die beste, die es überhaupt gibt. Deshalb hoffe ich, dass die düstere Prognose nicht eintritt und der Abbruch nicht so groß wird. Der Religionsunterricht ist wesentlich für ein gutes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen.“ Der Sorge, Lehrkräfte könnten sich ihrer künftigen Rolle als „Diener:innen zweier Herren“ unsicher sein, widersprach die Leiterin der Bildungsabteilung der hannoverschen Landeskirche. „Sie bleiben evangelische oder katholische Religionslehrkräfte, vermitteln aber künftig stärker als bisher auch die Inhalte der jeweils anderen Konfession.“

Auch Winfried Verburg betonte, dass etwa katholische Lehrkräfte keineswegs den Positionen Roms verpflichtet seien: „Es gibt theologische Aussagen des Papstes, die ich gut finde. Und es gibt Entscheidungen des Papstes – dafür fehlt mir das Verständnis. Das würde ich im Unterricht auch sagen und begründen“, so Verburg und nannte als Beispiel das Ausschlagen des Rücktrittsgesuchs eines Bischofs im Zusammenhang mit Fällen sexualisierter Gewalt im Erzbistum Köln. Im Christlichen Religionsunterricht solle und müsse kontrovers diskutiert werden. Das bedeute aber nicht, die jeweils andere Konfession abwertend darzustellen, so Verburg. „Das geht schon jetzt nicht. Es stünde im Widerspruch zu unseren ökumenischen Errungenschaften.“

In einer nach Schulformen aufgeteilten Kleingruppen-Phase kristallisierten sich weitere Fragen und Wünsche der Teilnehmenden heraus: So müsse es vor der Einführung des CRU neue Lehrpläne für den Unterricht und aktualisierte Schulbücher geben. Auch den Wunsch nach Fortbildungen und geistlicher Begleitung trugen die Pädagog:innen an die Kirchenvertreter:innen heran. Eine Frage musste indes offen bleiben: „Würden die Schüler:innen überhaupt einen Unterschied zum bisherigen Unterricht merken? Und wenn nicht, wäre das schlimm?“

Text: Lothar Veit, Freier Journalist