Schulseelsorge: „Seelsorge hilft, nicht nur schwarz-weiß zu sehen!“

Nachricht 11. November 2021
Arnim Hermsmeyer (2 v. r.) verstärkt zukünftig das Schulseelsorgeteam des RPI Loccum, von links: Almut Künkel, Hartmut Talke, Astrid Lier, Arnim Hermsmeyer, Bettina Wittmann-Stasch

Pastor Arnim Hermsmeyer aus Syke verstärkt zukünftig das Schulseelsorgeteam des Religionspädagogischen Instituts Loccum.

„Auch als Seelsorger kann ich nicht in die Menschen hineinsehen“, so Arnim Hermsmeyer. „Jeder Mensch ist für mich erstmal eine Black Box.“ Zukünftig wird Hermsmeyer, Pastor an der BBS Syke, neben seiner Arbeit an der Schule das Schulseelsorgeteam des Religionspädagogischen Instituts Loccum verstärken und mithelfen, andere Lehrkräfte zu Schulseelsorger*innen auszubilden.

Ein Jahr dauert die Qualifizierung zum Schulseelsorger oder zur Schulseelsorgerin, daran teilnehmen kann jeder, der Religion unterrichtet, egal ob Lehrkraft, Diakon oder Pastorin. Mehrfach kommen die angehenden Schulseelsorger*innen für Seminare nach Loccum und lernen dort, wie sie hilfreiche Gespräche mit Menschen nicht nur in Krisensituationen führen und welche Ideen und Methoden dabei nützlich sind. Wer möchte, kann sich im Anschluss als Schulseelsorger*in beauftragen lassen.

Verantwortet wird diese Ausbildung vom Schulseelsorgeteam der Landeskirche, zu dem neben der RPI-Dozentin Bettina Wittmann-Stasch auch Almut Künkel, Astrid Lier und bis zum kommenden Sommer Hartmut Talke gehören. Talke, Schulpastor an der BBS Rotenburg, geht dann in den Ruhestand, der 46-jährige Arnim Hermsmeyer rückt für ihn nach.

Wie Bettina Wittmann-Stasch haben auch die vier anderen eine mindestens dreijährige systemische Ausbildung. Systemisches Denken sieht Menschen immer im Gefüge ihrer verschiedenen Bezugssysteme – zum Beispiel in der Familie, in der Schule, auf der Arbeit. Konflikte werden nicht nur als individuelles Problem interpretiert, sondern immer im Zusammenhang eines solchen Gesamtsystems gesehen. Ziel der Systemischen Beratung ist es, gemeinsam nach Lösungen und Handlungsoptionen zu suchen. Dabei geht es weniger darum, nach Gründen oder Motiven zu fragen, sondern Menschen entscheidungsfähig zu machen. Arnim Hermsmeyer weiß: „In schwierigen Situationen sehen Menschen alles oft nur noch schwarz-weiß. Hier möchte ich ihnen helfen, ihr Leben wieder selbst zu gestalten.“

Das Denken in (Beziehungs-)Systemen ist es, das auch die Schulseelsorgeausbildung prägt: „Klar, wenn Schüler*innen ein Problem haben, dann suchen sie Hilfe und wollen Rat. Aber eigentlich sind sie ja selbst die Expert*innen für ihr eigenes Leben und haben die Lösung in sich. Als Schulseelsorgerin bin ich im Grunde nur Geburtshelferin“, so beschreibt es Astrid Lier, Schulpastorin an der BBS Springe.

Und Hartmut Talke erzählt: „Ich weiß noch, als ich beim Einkaufen an der Käsetheke mal eine Frau traf, die frisch verwitwet war. Und ich habe sie bewusst nicht gefragt: Wie geht es Ihnen?, sondern: Wie kriegen Sie das hin? Denn das hat ihr ermöglicht, Geschichten des Gelingens zu erzählen.“

Die Erfahrung lehrt, dass die Schüler*innen gerade bei heiklen Themen wie Sterben, Tod, Suizid gerne den Rat der Schulseelsorger*innen in Anspruch nehmen. „Als Schulseelsorgerin und Schulpastorin bin ich so etwas wie ein bunter Papagei“, beschreibt es Bettina Wittmann-Stasch, die selbst einige Jahre als Schulpastorin an der BBS II in Göttingen gearbeitet hat. „Irgendwie falle ich im System Schule auf. Und das ist auch gut so.“ Es seien gerade die Schulseelsorger*innen, die sich für die Schulatmosphäre insgesamt und zugleich für die Wahrnehmung jedes einzelnen Mitglieds, vom Schüler über die Kollegin bis hin zur Reinigungskraft, zuständig fühlen. Almut Künkel, die bis zum Sommer Schulpastorin an einem Gymnasium in Buchholz in der Nordheide war, erinnert sich: „Einmal kam ein Kollege in der Schule auf mich zu und sagte: Du musst jetzt bitte irgendwas Sinnstiftendes machen.“

Mehr als 400 Schulseelsorger*innen aus ganz Niedersachsen hat das Loccumer Schulseelsorgeteam in den vergangenen zehn Jahren ausgebildet. Almut Künkel ist begeistert von der Resonanz, auf die dieses Angebot stößt: „Ich bin sehr angetan davon, wie viel Zeit und Ressourcen Lehrkräfte investieren, um diese Ausbildung zu machen. Und es ist auch toll zu sehen, wie sehr die Landeskirche das unterstützt und fördert.“

Dr. Marc Wischnowsky, als Oberkirchenrat in der Landeskirche Hannovers zuständig für die Schulseelsorge, unterstreicht: „Die Evangelische Schulseelsorge trägt wesentlich zur Schulkultur bei. Gerade die Pandemie hat uns ja allen nochmal bewusstgemacht, wie sehr Schule gemeinsamer Lern- und Lebensraum ist. Schulseelsorger*innen bereichern das Kollegium einer Schule als Religionskräfte mit einer besonderen Zusatzfortbildung. Als Landeskirche sind wir für dieses Engagement vieler Menschen und für die Arbeit des Fortbildungsteams außerordentlich dankbar. Deshalb freuen wir uns über die Verstärkung durch Pastor Arnim Hermsmeyer, der reichlich schulische Erfahrung und eine solide seelsorgliche und systemische Ausbildung mitbringt.“

Wer Interesse an einer Ausbildung als Schulseelsorger*in hat, findet unter https://www.rpi-loccum.de/veranstaltungen/Schulseelsorge weitere Informationen. Ansprechpartnerin ist Bettina Wittmann-Stasch, Dozentin am RPI Loccum (bettina.wittmann-stasch@evlka.de, 05766/81141)

Text und Foto: Dr. Michaela Veit-Engelmann, Öffentlichkeitsarbeit des RPI Loccum