Von Menschen nur Gutes sagen

Nachricht 14. September 2021

Die Bevollmächtigten OLKR Kerstin Gäfgen-Track und OLKR Andrea Radtke schreiben:

Sehr geehrte Damen und Herren,

ein klassischer Ratschlag lautet: „de hominibus nihil nisi bene“ - „von Menschen nur Gutes sagen“. Von Menschen nur Gutes sagen, nicht erst wenn diese gestorben sind, ist ein Ratschlag, der im Leben nicht immer befolgt wird. Jeder Mensch wünscht sich für sich selbst, nur Gutes über sich zu hören, aber ist immer wieder in der Gefahr über andere abwertend, negativ oder verurteilend zu reden. Üble Nachrede, bösartige Kommentare, Hetze und fake news über andere das Netz ist voll davon. Shitstorms, gefakte Fotos lassen Schüler*innen verzweifeln bis hin zu Selbstmordgedanken und Politiker*innen ebenso wie andere Personen des öffentlichen Lebens schlecht schlafen. Manche resignieren, andere geben auf oder wieder andere werden krank. 

„Wenn mit genug Dreck geworfen wird, bleibt immer etwas hängen,“ hat gerade jetzt im Wahlkampf traurige Konjunktur. Politische, extremistische Propaganda arbeitet nach diesem Motto wieder, selbst in der Kleinstadt oder auf dem Dorf, wo viele der in Politik und Gemeinwesen Engagierten sich persönlich kennen. Dennoch  vieles bleibt anonym im Netz oder wenn Wahlplakate beschmiert werden.

Fake Accounts aus der Provinz können bereits viel Hass säen und Schaden anrichten und sind doch nur wie ein kleiner Ableger von weltweit agierender Wahlmanipulation im großen Stil, wie wir sie bereits aus der Vote-Leave-Kampagne zum Brexit kennen. International agierende PR-Agenturen manipulieren das Wahlverhalten, indem sie gezielt emotional aufgeladene Posts mit falschen Zahlen und Lügen über private Social Media Accounts verbreiten lassen. Mit fatalen Folgen, auffallend oft für Politiker*innen mit migrantischem Hintergrund, die persönlich belästigt und diffamiert werden bis hin zu Morddrohungen. Alle Betroffenen sind dann mit Anzeigen der Straftaten und Verteidigung der eigenen Integrität so in Beschlag genommen, dass wenig Zeit bleibt im eigenen Wahlkampf zu zeigen, was ihr politisches Programm auszeichnet.

Die Gefahr und das Ausmaß dieser Hetze werden leicht unterschätzt von denen, die beim Eröffnen des eigen Facebook-Accounts keine Fake News vorfinden und auch niemanden kennen, der Hassposts teilt. Das ist ein Effekt der eigenen Filterblase und sagt nichts aus über Reichweite und Wirkung der gezielt eingesetzten Propaganda. Mit Blick auf die Jugend sind Wahlkampfexperten aber optimistisch für die Zukunft. Sie habe mehr Ahnung von digitaler Manipulation als viele Politiker*innen, denn jeder Teenager, der Mobbing auf Social Media erlebt habe, verstehe, wie Hetze im Netz funktioniere.

„Die Würde des Menschen bleibt oberster Maßstab für das Handeln in Politik und Gesellschaft in Europa“, heißt es in dem am 1. September veröffentlichten kirchlichen Aufruf[1] zur Bundestagswahl. Dieser „Maßstab“ gilt auch für den Wahlkampf, egal, ob es um eine Verleumdung gegen eine*n Politiker*in der eigenen oder einer gegnerischen Partei geht. Die Taktik, Verleumdungen, Unterstellungen und Lügen zu verbreiten, ist des Menschen unwürdig und muss konsequent geächtet werden. Wer im Wahlkampf kämpferisch für die eigenen Ziele wirbt, bleibt der eigenen Menschlichkeit treu, wenn er besonnen und mit Respekt seine Worte wählt und Solidarität auch mit politischen Gegner*innen übt, wenn diese diffamiert werden.  Es kostet viel Kraft und ist aller Anstrengung wert für ein gelungenes gesellschaftliches Miteinander: vom anderen immer wieder gut zu reden. Diese Anstrengung brauchen wir, um unsere Demokratie zu schützen und zu stärken.

Wir haben als Gesellschaft eine große Verantwortung dafür, von Menschen gut zu reden und respektvoll mit ihnen umzugehen, nur so kann gesellschaftliches Zusammenleben gelingen. Als Kirche haben wir diese Verantwortung in besondere Weise, sie ist Teil der Nächstenliebe, die der Maßstab unseres Redens und Handelns ist.

Mit herzlichen Grüßen

Ihre
Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke
Die Bevollmächtigten Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke


[1] Gemeinsamer Aufruf des Vorsitzenden des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing zur Wahl des 20. Deutschen Bundestages am 26.September 2021 unter: https://www.ekd.de/ekd_de/ds_doc/210901_Aufruf_Oekumenischer_Aufruf_zur_Wahl_des_Deutschen%20Bundestages.pdf