Christlicher Religionsunterricht in Niedersachsen

Nachricht 10. Juni 2021

Die Bevollmächtigten OLKR Kerstin Gäfgen-Track und OLKR Andrea Radtke schreiben:

Sehr geehrte Damen und Herren!

„Religionsunterricht macht den Kopf frei“ – mit diesem Motto wirbt eine Evangelische Kirche im Osten Deutschlands für den Religionsunterricht (RU). Frei, das Leben mit den Schüler*innen von verschiedenen Seiten zu betrachten, gerade auch mit der Frage nach Gott. Frei, zu entdecken, wie das Zusammenleben gelingen und dem eigenen Verständnis von Mensch, Welt und Gott Ausdruck verliehen werden kann. Der konfessionelle Religionsunterricht ist ein vielfältiges und spannendes Fach, das die Bildung der Schüler*innen nicht nur im Hinblick auf den Umgang mit Religion und den verschiedenen Konfessionen und Religionen bereichert. 

Die Schulreferent*innen der katholischen Bistümer und evangelischen Kirchen in Niedersachsen haben sich die Freiheit genommen, für die beiden Fächer „Katholische Religion“ und „Evangelische Religion“ neu zu denken. Sie haben das Modell eines gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterrichts erarbeitet. Es ist eine Weiterentwicklung des seit mehr als 20 Jahren in Niedersachsen erfolgreichen Modells eines konfessionell kooperativen Religionsunterrichts. Hier arbeiten die Kirchen schon lange intensiv zusammen und vertreten bereits heute viele insbesondere schulorganisatorische Belange des Religionsunterrichts zusammen gegenüber dem Land. Denn der Religionsunterricht ist als einziges Fach eine sogenannte res mixta, eine gemeinsame Angelegenheit von Land und bisher der jeweiligen Kirche oder Religionsgemeinschaft.  

„Ob Jan katholisch oder evangelisch ist, ist mir doch egal, Hauptsache er ist ein guter Kumpel,“ meint Amely. Und vielleicht verstehen die beiden sich noch ein bisschen besser, wenn sie mehr um ihre jeweilige religiöse Herkunft wissen. Vom Dom und der Michaeliskirche in Hildesheim oder der Katharinenkirche in Osnabrück, von Fronleichnam und Reformationstag, von Firmung und Konfirmation. Es geht um ein Verständnis des religiösen und kulturellen Erbes ebenso wie der multireligiösen und multikulturellen Gegenwart in unserem Land, auch notwendig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Der „gemeinsam verantwortete christliche Religionsunterricht“ soll von den Gemeinsamkeiten beider Konfessionen ausgehen, die Differenzen verstehen und beide Konfessionen in ihrer spezifischen Frömmigkeitspraxis achten. Ausgangspunkt ist die Taufe, die beide Kirchen wechselseitig anerkennen ebenso wie die Bibel als Heilige Schrift. Ob evangelisch oder katholisch getauft, getauft ist getauft. Zu einer Taufe in der katholischen Kirche gehört die Salbung des Täuflings mit Chrisam in einer evangelischen dagegen nicht. Warum das so ist und warum die Gemeinsamkeiten mehr zählen als die Unterschiede, um die Taufe zu verstehen, das erfahren Schüler*innen im Religionsunterricht.

Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass das Bewusstsein dafür, katholisch oder evangelisch zu sein, mit dem konfessionell-kooperativen Unterricht wächst - bei Lehrkräften wie bei Schülerinnen und Schülern. Auch diese Erfahrung aus der Praxis spricht dafür, im Sinne des Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes einen bekenntnisgebundenen „gemeinsam verantworteten christlichen Religionsunterricht“ anzubieten, um es Schüler*innen zu ermöglichen, die Grundsätze ihrer Religionsgemeinschaft stärker zu würdigen und die Unterschiede zu achten. Voraussetzung dafür ist, dass die katholischen Bistümer und evangelischen Kirchen in Niedersachen gemeinsam als eine „Partnerin“ das Unterrichtsfach in gemeinsamer Verantwortung mit dem Land einführen – wenn auch das Land diesen Weg gehen möchte. Um zu prüfen, ob es so kommen kann und ein solches Modell genau beschrieben werden kann, haben die Kirchen einen einjährigen breiten schulischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Beratungsprozess angestoßen. Wir freuen uns über erste positive Signale.

Mit herzlichen Grüßen und dem Wunsch, Sie mögen in den nächsten Wochen spüren, dass neue Impulse in vielen Bereichen des privaten und gesellschaftlichen Lebens entstehen

Ihre

Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke
Die Bevollmächtigten Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke