Mit klaren Worten antijüdische Ressentiments anprangern

Nachricht 09. November 2020

Dr. Enste zum Jahrestag der Reichspogromnacht:

„Nicht in den Modus geschäftsmäßiger Erinnerungskultur-Rituale verfallen, sondern Erkenntnisse ziehen!"

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 fand die Reichspogromnacht statt, eine von den Nationalsozialisten organisierte Gewaltnacht gegen jüdisches Leben. In Erinnerung daran äußert sich der Landesbeauftragte gegen Antisemitismus und für den Schutz jüdischen Lebens, Dr. Franz Rainer Enste, heute wie folgt:  

„Der 9. November 1938 ist und bleibt ein höchst bedenkenswertes Datum in unserer jüngeren deutschen Geschichte. Denn dieser Tag steht einerseits für den vorläufigen Höhepunkt einer bereits in den fünf Jahren zuvor mit unsäglicher Konsequenz verfolgten Spirale der Ausgrenzung und der Gewalt gegen die in Deutschland lebenden Juden - mit einer johlend-beifallspendenden oder einer schweigend-wegsehenden Unterstützung der damaligen entsetzlichen Brandschatzungsaktionen. Und er steht andererseits für den fanalhaften Auftakt für noch weitaus Schlimmeres, nämlich für die geschichtlich beispiellose systematische Verfolgung und Ermordung von Juden.

Wir dürfen in Gedenken an die Geschehnisse des 9. November 1938 nicht in den Modus geschäftsmäßiger Erinnerungskultur-Rituale verfallen. Vielmehr müssen wir immer wieder danach fragen, welche konkreten Erkenntnisse wir für unser heutiges politisches Handeln gewinnen können. Dazu gehört auch, schonungslos sowie mit klarer Haltung und mit klaren Worten alle aktuellen Tendenzen anzuprangern, welche antijüdischen Ressentiments und entsprechenden verbalen vorurteilsbelasteten Entgleisungen zunehmend zu einer neuen Salonfähigkeit verhelfen. Bei solchen Entwicklungen nach den Erfahrungen mit den hier in Rede stehenden Ereignissen zu schweigen, wäre fatal geschichtslos. Unabhängig davon, aus welchen unsäglichen Quellen sich die heutigen Erscheinungsformen von Antisemitismus speisen und wie dieser im alltäglichen Miteinander auftritt, verhöhnt er in unerträglicher Weise unser seit Jahren gepflegtes Ringen um eine humane Orientierung einer freien und offenen Gesellschaft unseres Landes. Antisemitismus hat keinen Platz in unserer Demokratie."

Pressemeldung des Justizministeriums, Hannover