Für eine offene, plurale und demokratische Gesellschaft

Nachricht 24. Februar 2020
Bevollmächtigte OLKR Dr. Kerstin Gäfgen-Track und OLKR Andrea Radtke; Fotos: J. Schulze, St. Heinze.

Die Bevollmächtigten OLKR Kerstin Gäfgen-Track und OLKR Andrea Radtke schreiben nach dem rechtsextremistischen Anschlag in Hanau:

Seit rund einem Jahr wird das Chormusical Martin Luther King im deutschsprachigen Raum sehr erfolgreich aufgeführt. In diesem Jahr war es schon in Hamburg und Hannover zu Gast, in wenigen Tagen wird es in Braunschweig zu sehen sein. Martin Luther King wurde bereits 1968 ermordet, und die Afroamerikaner haben die Bürgerrechte für sich erkämpft. Trotzdem fasziniert er bis heute viele Menschen, ist gerade für viele junge Menschen ein Vorbild für Zivilcourage und den Kampf gegen Rassismus und Ungerechtigkeit. Das Musical Martin Luther King braucht kaum eine Transformation in die Gegenwart, wie es im Theater mit König Lear, Wilhelm Tell, Jean d‘ Arc oder Macbeth versucht wird. Martin Luther Kings Einsatz gegen jede Form von Rassismus ist hochaktuell, seine Worte sprechen an und rütteln auf.

Der Einsatz für eine offene, plurale und demokratische Gesellschaft, in der alle Menschen, egal welcher Hautfarbe, Ethnie, Religion oder welchen Geschlechts, friedlich zusammenleben können, ist immer wieder dringend notwendig. Montgomery, Birmingham, Alabama damals wie Kassel, Halle, Hanau heute. Es gibt viel zu viele Orte auf der Welt, an denen hasserfüllte Menschen Unschuldige verfolgen, verletzen und töten.

„I have been on the mountaintop. I really wish I could just stay on the mountain; but I must go back to the valley.“ Ich bin auf dem Gipfel gewesen, sagt King, kurz nachdem ihm der Friedensnobelpreis verliehen wurde,  ich wünschte, ich könnte  auf dem Berg bleiben, aber ich muss zurück ins Tal gehen. Und er fährt fort, dass weiter gegebene Unrecht, den Hass und die Gewalt konkret zu benennen. Diesen Gipfel des friedlichen und gleichberechtigten Zusammenlebens zu erreichen, ist weiterhin das Ziel  für die Gesellschaften dieser Welt. Immer wieder gibt es auf dem Weg dorthin schwere Rückschläge, indem Menschen den Weg zu diesem Gipfel verlassen und manche versuchen, mit immer neuer Gewalt an immer anderen Orten den Weg zum Gipfel dauerhaft zu zerstören. Die Erinnerung an Martin Luther King macht deshalb vor allem deutlich, der Einsatz für eine vielfältige und die Menschenrechte aller Menschen schützenden und fördernden Gesellschaft geht unermüdlich weiter. Wenn wir glauben, auf dem Gipfel zu sein, müssen wir feststellen, dass viele andere sich noch nicht einmal auf den Weg dorthin gemacht haben und ganz andere Wege, die in Wahrheit in den gesellschaftlichen Abgrund führen, gehen wollen.

Für eine pluralitätsfähige und rechtsstaatlich verfasste Gesellschaft braucht es das gemeinsame Engagement vieler, eine Bürgerrechtsbewegung, für die Würde und die Rechte anderer, auch wenn es unbequem, schwierig, vielleicht sogar gefährlich sein kann. Dabei ist der Verzicht auf jegliche Form von Gewalt maßgebend, nur vom Recht her legitimierte staatliche Gewalt darf als ultima ratio zum Einsatz kommen. Im Musical gibt es eine Stelle, die historisch leider nicht wahr ist: Malcom X lässt seinen Revolver fallen und sich von der Botschaft der Liebe überzeugen. In der Realität hat sich Malcom X nie von der Bürgerrechtsbewegung Kings überzeugen lassen, auf Gewalt zu verzichten und dafür die Waffe fallen zu lassen.

Genau darum geht es bis heute, und dies gilt es immer wieder durchzuhalten: Hass wird weder durch den Hass noch die Gewalt anderer überwunden, sondern allein durch Überzeugung und Versöhnungsbereitschaft. Für King ist dies die zentrale Botschaft des Neuen Testaments: Veränderung ist nur möglich durch Überzeugung und Versöhnung. Darin liegt Stärke und nicht Schwäche.

Für Christinnen und Christen wächst die Kraft zum Engagement, der Mut zum Widerstand ebenso wie die Kraft zur Nächstenliebe aus dem Glauben. Für uns sind alle Menschen Geschöpfe Gottes, geschaffen in großer Vielfalt. Aus dem Glauben schöpfen wir auch die Hoffnung, dass Veränderung möglich ist. Der Traum Martin Luther Kings kann immer wieder wahr werden, und Menschen können sagen: I have been on the mountain top. Der Traum wird Realität, aber nicht bleibend. An jedem Ort, zu jeder Zeit kann die Würde und das Recht von Menschen wieder neu auf dem Spiel stehen, mit Füßen getreten oder niedergeschossen werden. Es gilt wieder und wieder dem Hass, der Gewalt und dem Unrecht entgegen zu treten mit allen Mitteln des Rechts und vor allem mit Mut und Entschlossenheit, mit Widerständigkeit und Versöhnungsbereitschaft. Christinnen und Christen leben das immer wieder aus der Kraft und der Hoffnung ihres Glaubens und bringen sich so in die Gesellschaft ein. Wir suchen dabei die Zusammenarbeit und das gemeinsame Engagement mit denen, die unsere Überzeugungen für eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie und Rechtspopulismus teilen.

„I have the audacity to believe that peoples everywhere can have three meals a day for their bodies, education und culture for their minds, and dignity, equality and freedom for the spirit.“ [1] 
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[1] „Ich besitze die Kühnheit, daran zu glauben, dass alle Menschen täglich drei Mahlzeiten für ihren Körper, Bildung und Kultur für ihren Geist und Würde, Gleichheit und Freiheit für ihre Seele haben können.“ Martin Luther King anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises am 10.12.1964 

 

Die Bevollmächtigten Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke