Karfreitag und Ostern in Zeiten der Corona-Krise

Nachricht 10. April 2020
Bevollmächtigte OLKR Dr. Kerstin Gäfgen-Track und OLKR Andrea Radtke; Fotos: J. Schulze, St. Heinze.

Die Bevollmächtigten OLKR Kerstin Gäfgen-Track und OLKR Andrea Radtke schreiben im Newsletter der Konföderation, April 2020:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern sind tief im kulturellen Gedächtnis unseres Landes verwurzelt. Sie können Orientierung und Sinn geben, vor allem aber die Hoffnung zum Leuchten bringen. Die Karwoche ebenso wie die Osterzeit fallen in diesem Jahr mit der Corona-Krise zusammen, mit der Angst davor, an Covid-19 zu erkranken und dem Wissen darum, dass Menschen weltweit (wie viele kann niemand vorhersagen) daran sterben werden. Bei einem neuen, sich rasant verbreitendem Virus, gegen das es gegenwärtig weder Medikamente noch einen Impfstoff gibt, hilft erstmal nur „Social distance“, was für unser Lebensgefühl schwer zu ertragen ist. Korrekt müsste es heißen „physical distance“. Dann kann zugleich deutlich werden, wie sehr Menschen gerade jetzt auf kreative und ungewöhnliche Weise soziale Beziehungen pflegen.

Menschen müssen dennoch auf viele Gemeinschaft stiftende und Halt gebende religiöse Rituale verzichten wie das Abendmahl am Gründonnerstag, die Karfreitagsgottesdienste, in denen Leiden und Sterben Jesu Christi zu einer bedrängenden Erfahrung werden und dann die Gottesdienste der Osternacht und des Ostermorgens voller Freude und Hoffnung. In diesem Jahr wird es keine traditionellen Pilgerfahrten nach Rom oder Jerusalem geben, die diese Tage intensiv erleben lassen. Am Vorabend des Gründonnerstages ist Erev Pessach, der Beginn des Pessachfestes, an dem Jüdinnen und Juden den Auszug aus der Knechtschaft in Ägypten feiern; traditionell ein Wallfahrtsfest, an dem sie aus der ganzen Welt nach Jerusalem reisen. Am 23. April wird der Fastenmonat der Musliminnen und Muslime, der Ramadan, beginnen; auch er wird diesmal anders begangen. Auf die Wallfahrten nach Mekka und Medina muss ebenfalls verzichtet werden.

Auch die weltlichen Gewohnheiten und Rituale wie das Osterfeuer, das Festessen mit der Familie, die Fahrt ins Grüne, der Osterurlaub sind um des notwendigen social distancing willen abgesagt oderverschoben.

Begleitet vom Frühling, in dem die Natur im Aufbruch ihre Vitalität und Schönheit zeigt, sind Gründonnerstag, Karfreitag und das Osterfest christliche Feiertage, die das Ganze menschlichen Lebens und eben auch Sterbens in einer Geschichte deuten. Menschliches Leben ist nicht perfekt, nicht so, wie wir es uns wünschen, ist verletzlich, zerbrechlich, ungerecht. Die biblische Geschichte nimmt ein gutes Ende, aber das war alles andere als zu erwarten.

Der Gründonnerstag ist der Tag von Gemeinschaft und Solidarität und vom Verrat an dieser Gemeinschaft: Jesus, der Meister, wäscht seinen Anhängern, den Jüngern, die staubigen Füße. Eine traditionelle Frauenarbeit, nicht wertgeschätzt. Jesus lädt dann zum gemeinsamen Essen, dem Pessachmahl, ein und sorgt dafür, dass alle satt werden und Wein für die Feier haben. Danach geht er in einen Garten, Gethsemane, um zu beten; am Ende kommen Soldaten und nehmen ihn fest, weil einer, Judas, ihn verraten und die anderen ihn verlassen haben.

An Karfreitag vollziehen Christen nach, wie brutal Jesus gefoltert wurde und von Gott und Welt verlassen einen qualvollen Tod am Kreuz starb. Dieselben Menschen, die ihm noch wenige Tage zuvor zugejubelt haben, haben seinen Tod bei Pontius Pilatus erzwungen. Er wird vom Kreuz abgenommen, und ein mutiger Mann, Joseph von Arimathäa, sorgt dafür, dass Jesus in seine eigene Grabstätte, eine Höhle, gelegt wird. Wenigstens ein würdiges Begräbnis. Vielmehr aber die kostbare Erkenntnis, dass Jesus Christus seinem Weg der Liebe zu, der Solidarität mit und der Heilung von Menschen konsequent geht. 

Drei Frauen, Maria Magdalena, Maria, die Mutter des Jakobus und eine dritte, bereiten Öle vor, um den Leichnam traditionell zu salben. Sie sind sehr mutig, gehen mit den Ölen zum Grab und das Grab ist „leer“. Ja, mehr noch: sie erfahren für sich, Jesus lebt. Er „begegnet ihnen“. Die Erzählung bleibt offen, unvollendet und durchlässig. Wir können hineinschlüpfen in das, was die großen Zeuginnen und Zeugen des Glaubens in starken Bildern weitergesagt haben: das Leben ist stärker als der Tod, weil Gott es so will. Große Hoffnungsschuhe, die jeder und jedem passen.

Der Tod ist nicht das Ende. Diese Hoffnung haben wir Christen nur im Glauben, aber sie prägt unser Leben. „Mit den gleichen Augen weinen und lachen“ (Jehuda Amichai) – das ist unser Leben in seiner Schönheit und seinem Schmerz unter dem Vorzeichen der Hoffnung. Hoffnung schenkt Mut und Trost, gerade in Zeiten von Corona. Ostern steht unmissverständlich für den Exit aus dem Tod. Wir brauchen in diesem Jahr konkret die Hoffnung auf einen (sukzessiven) Exit aus der Krise, aus social distancing und der Todesangst vor dem Corona-Virus. Vielleicht erinnern wir uns auch ohne Gottesdienste, Pilgerreisen und Kreuzwege an die Chance, unser eigenes Leben und Sterben auf eine andere Weise zu begreifen auf den Stationen der Karwoche hin zum Osterfest in den Zeiten von Corona.

Wir wünschen Ihnen eine gesegnete Karwoche und ein hoffnungsvolles Osterfest.

Ihre
Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke

Die Bevollmächtigten Kerstin Gäfgen-Track und Andrea Radtke

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