Bischöfe über das Urteil zum Urteil zum Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung

Nachricht 26. Februar 2020

Kirchenpräsident Heimbucher bedauert Urteil zur Sterbehilfe

Leer (epd). Der Evangelisch-reformierte Kirchenpräsident Martin Heimbucher bedauert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mittwoch, nach dem das Suizidhilfe-Verbot aufgehoben wird. Das Leben sei ein Geschenk Gottes, sagte er am Freitag in Leer. An seinem Anfang wie am Ende komme das "Selbstbestimmungsrecht" unvermeidlich an Grenzen. "Diese Eigenverfügbarkeit über mein Leben und Sterben zum Leitmotiv der rechtlichen Bewertung des assistierten Suizids zu machen, wie es im Urteil des Bundesverfassungsgerichts geschieht, geht an der Wirklichkeit vorbei."

Heimbucher bewertet wie andere leitende Theologen die Karlsruher Entscheidung damit anders, als der hannoversche Landesbischof Ralf Meister. Meister hatte das Urteil begrüßt und dabei gesagt: "Es zeigt, dass die Würde des Menschen auch das Selbstbestimmungsrecht des Menschen beinhaltet." Gleichwohl müsse die Kirche alles tun, dass eine solche Entscheidung nicht geschäftsmäßig wie ein Marktgeschehen organisiert werde.

Das Verfassungsgericht hatte am Mittwoch das Gesetz zum "Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" gekippt. Das 2015 beschlossene Gesetz sei verfassungswidrig, weil es das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränke, urteilten die Karlsruher Richter.

Heimbucher kritisierte, die Verantwortung für eine angemessene Pflege und Begleitung leidender und sterbender Menschen sei hoch. Sie dürfe nicht dadurch vermindert werden, dass den Betroffenen die Last einer Entscheidung zum vermeintlich "sozialverträglichen Ableben" aufgebürdet werde. Nötig sei es vielmehr, das Sterben menschenwürdig zu gestalten und Schmerzen zu lindern, so wie es in den Hospizen und Palliativstationen geschehe. Es müsse in die palliativmedizinische Versorgung investiert werden.

Zugleich gebe es Grenzfälle, die wirklich ausweglos seien, räumte er ein. "In einem solchen Extremfall wird ein Nahestehender wohl auch dabei helfen, dass ein geliebter Mensch endlich sterben kann." Solche Grenzfälle dürften aber nicht zu Normalfällen werden. Zudem dürften sie nicht sogenannten Sterbehilfe-Kliniken oder gar Organisationen, Vereinen oder Firmen überantwortet werden, die auf die Hilfe zum Suizid spezialisiert seien. "Die Legalisierung des assistierten Suizids fördert den fatalen Anschein seiner Normalität." (8084/28.02.20)

epd lnb mir bjs

Theologe fordert Ausbau der Palliativmedizin epd-Gespräch: Gunnar Müller

Göttingen (epd). Der Göttinger evangelische Theologe und Sozialethiker Christian Polke fordert nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Sterbehilfe mehr Geld für Palliativmedizin, Pflegeeinrichtungen und die sozialpsychologische Begleitung sterbender Menschen. "Niemand darf sich aus einer Notlage oder aus Ängsten heraus zum Suizid gedrängt fühlen", sagte der Professor am Sonntag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch pflegende Angehörige müssten unterstützt werden. Zugleich sei der Gesetzgeber nun verpflichtet, seine Bedenken gegen die "geschäftsmäßige" Sterbehilfe rechtlich konkreter zu fassen.

Polke zufolge sind Beratungspflichten, hohe Auflagen für Sterbehilfe-Vereine und eine bessere schmerzmedizinische und sozialpolitische Flankierung nötig. Statt eines Verbotes solcher Vereine sei eine gute Sozial- und Gesundheitspolitik gefragt.

Das höchste deutsche Gericht hatte in der vergangenen Woche das Gesetz zum "Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" gekippt. Das 2015 beschlossene Gesetz sei verfassungswidrig, weil es das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränke. Dieses Recht umfasse auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben und das Recht, sich dabei Hilfe von Dritten zu suchen, hieß es zur Begründung. Polke sprach von einem "klaren, transparenten und rechtlich in sich schlüssigen Urteil".

Aus Sicht des Ethikers stehen Gesellschaft und Kirche jetzt vor der Aufgabe, gegen die Tabuisierung von Tod und Sterben anzugehen und einen offenen Austausch darüber zu führen. "Angst ist weder in der Politik noch in der eigenen Lebensführung ein guter Ratgeber", sagte Polke, der auch Mitglied im Zentrum für Medizinrecht der Uni Göttingen ist. "Es wäre jedenfalls ein Schaden, wenn man glaubte, wir bräuchten uns fortan mit Autonomie am Lebensende nicht mehr auseinanderzusetzen."

Skeptisch äußerte sich Polke zu der von Kirchen und Ärzten geäußerten Kritik, das Urteil werde zu einem Dammbruch führen und Selbsttötungen gesellschaftsfähig machen. "Dammbruch-Argumente sind immer mit Vorsicht zu genießen, sie müssen nämlich empirisch gedeckt sein", sagte er.

Aus christlicher Sicht sei das Leben ein Geschenk Gottes, mit dem der Mensch selbstverantwortlich umgehen dürfe, sagte Polke. "Man kann nicht tiefer fallen als in die Hände dessen, der uns alle geschaffen und gewollt hat. Wer dass glaubt, wird versuchen, individuelle Selbstbestimmung zu achten, aber doch auch die überzogenen Erwartungen an menschliche Autonomie ernst zu nehmen." In gewisser Weise bestimme der Mensch in Sterben und Tod nicht mehr über sich selbst. (1045/01.03.20)

epd lnb gum mig

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Eine wichtige Klärung
Hannover. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sagt zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur organisierten Sterbehilfe: "Ich glaube, dass das Urteil eine wichtige Klärung ist. Es zeigt, dass die Würde des Menschen auch das Selbstbestimmungsrecht des Menschen beinhaltet." Meister ist auch Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. 

Das Verfassungsgericht hatte zuvor das Gesetz zum "Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" gekippt. Das 2015 beschlossene Gesetz sei verfassungswidrig, weil es das allgemeine Persönlichkeitsrecht einschränke, urteilten die Karlsruher Richter.

Meister bezeichnete die Entscheidung als richtig: "Als Christ sage ich: Die Gabe Gottes, nämlich mein Leben, hat er in meine Verantwortung gelegt. Diese Verantwortung währt bis zum letzten Atemzug. Und da ich an das ewige Leben glaube, habe ich auch die Rechtfertigung, den Zeitpunkt und die Art und Weise, wie ich sterbe, mitzugestalten."

Gleichwohl müsse die Kirche alles tun, dass eine solche Entscheidung nicht geschäftsmäßig wie ein Marktgeschehen organisiert werde, betonte der Landesbischof. Todkranke Menschen, die ihrem Leben selbst ein Ende setzten wollten, müssten intensiv geistlich begleitet werden.

Meister berichtete, er sei 19 Jahre alt gewesen, als ihn ein schwer kranker Mann, den er anderthalb Jahre lang gepflegt habe, gebeten habe, ihm beim Sterben zu helfen. "Jeder der eine solche Frage einmal gestellt bekommen hat, erlebt, dass das höchst persönliche individuelle Entscheidungen sind."

epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen
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Meine Verantwortung für mein Leben währt bis zum letzten Atemzug

Landesbischof Ralf Meister, Hannoversche Landeskirche zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe: "Als Christ sage ich, die Gabe Gottes, nämlich mein Leben, das er mir gegeben hat, hat er in meine Verantwortung gelegt. Und diese Verantwortung währt bis zum letzten Atemzug."
Video-Beitrag auf Facebook: https://www.facebook.com/kirchehannovers/posts/1331526313698208
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Bischof Adomeit: Kostbarkeit und Würde eines Menschen dürfen nicht nach Gesundheit, Leistungsfähigkeit und dem Nutzen bemessen werden

Bischof Thomas Adomeit, Leitender Geistlicher der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg, bedauert die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung.

„Mit Bedauern und Sorge schaue ich auf das am Mittwoch, 26. Februar, ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (§ 217 StGB) aufgehoben hat“, so Bischof Thomas Adomeit.

In den letzten Jahren seien gerade im Bereich der Palliativmedizin, der stationären wie ambulanten Hospizdienste und in den auf Sterbebegleitung spezialisierten Pflegeeinrichtungen wertvolle Instrumente gewachsen, „die dazu helfen, dass das Leben auch im Sterben gelingen kann.“

„Neben dem zu beachtenden Persönlichkeitsrecht eines Schwererkrankten zur Selbsttötung ist es mein Wunsch“, so Bischof Adomeit, „dass bald eine neue Gesetzgebung den Umgang mit Selbsttötung präzisiert, die den Dienst von Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften und Angehörigen schützt und einen klaren Handlungs- wie Entscheidungsraum für alle Beteiligten eröffnet.“

Die Kostbarkeit und Würde eines Menschen dürfen laut Bischof Adomeit nicht nach Gesundheit, Leistungsfähigkeit und dem Nutzen bemessen werden. „Es wächst nun die Gefahr, dass in Zukunft Alte, Schwererkrankte und Gebrechliche zur Selbsttötung ermutigt werden. Das Sterben ist Teil unseres eigenen Lebens. Es darf nicht anderen, organisierten Interessen und Angeboten unterworfen werden.“

Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag entschieden, dass das 2015 eingeführte Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe verfassungswidrig ist. Dagegen hatten schwer kranke Menschen, Ärzte und Sterbehilfevereine geklagt und nun in Karlsruhe Recht bekommen.
Pressemeldung der Ev.-Luth. Kircje in Oldenburg
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