Bischof Adomeit: Engagierte Menschen, die zu uns kommen, tun uns gut

Nachricht 23. September 2019
Eröffnung der Interkulturellen Woche 2019 in Niedersachsen am Sonntagnachmittag in der Oldenburger St. Lamberti-Kirche (von li. nach re.): Bischof Thomas Adomeit, Pfarrer Simon Eker von der Syrisch-Orthodoxen Gemeinde in Delmenhorst, Editha Westmann, Landesbeauftragte für Heimatvertriebene, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, MdL, Oberlandeskirchenrätin Andrea Radtke, Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, und Monsignore Bernd Winter, Bischöflich-Münstersches Offizialat Vechta. Im Hintergrund ein „Flüchtlingsboot“ des Diakonischen Werkes der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg, mit dem auf die Situation der Bootsflüchtlinge im Mittelmeer aufmerksam gemacht werden soll. Foto: ELKiO/D.-M. Grötzsch

Mit einem ökumenischen Gottesdienst ist am Sonntag, 22. September, in der Oldenburger St. Lamberti-Kirche die Interkulturelle Woche 2019 in Niedersachsen eröffnet worden. Den Gottesdienst unter dem Motto „Dem Leben Brücken bauen“ leiteten Bischof Thomas Adomeit, Monsignore Bernd Winter, Bischöflich-Münstersches Offizialat Vechta, sowie Pfarrer Simon Eker von der Syrisch-Orthodoxen Gemeinde in Delmenhorst. Der Eröffnungsgottesdienst fand auf Einladung der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg statt.

Bischof Thomas Adomeit betonte in seiner Predigt (zu Lukas 18,1-8), dass er wie viele andere Menschen wütend sei auf Schlepperbanden und Flüchtlingsgewinnler, die das Elend Zehntausender Flüchtlinge für eigene Zwecke brutal ausnutzten. Diesen Ausbeutern müsse das Handwerk gelegt werden, so Adomeit. Doch zugleich warb Bischof Adomeit um Verständnis für das Schicksal von Menschen auf der Flucht. „Wie verzweifelt müssen Menschen sein, die sich in völlig seeuntüchtige Schlauchboote drängen, die tagelang in dunklen Containern der Schiffe und LKWs ausharren oder verzweifelt über mit Nato-Draht gespitzte Zäune klettern und sich dabei die Arme blutig schlagen.“

Es ginge vielen Flüchtlingen um ein Leben ohne Angst vor Krieg und Bomben und vor marodierenden bewaffneten Clans voller Hass. Diese Menschen wollten ihre Angehörigen, ihre Frauen und Kinder in Sicherheit bringen. Er sehe die Not und die Angst dieser verzweifelten Menschen, so Adomeit. „Tun wir etwas, weil es der Wille Gottes ist.“ Der Eine oder die Andere wundere sich darüber, dass die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein Schiff zur Rettung von Geflohenen mitfinanziere. Für ihn, so Bischof Thomas Adomeit, gelte der Grundsatz: „Jedes Leben ist unendlich wertvoll. Jedes gerettete Leben ist ein Gewinn für die Menschlichkeit“.

Mit Blick auf die nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge betonte Bischof Adomeit: „Engagierte Menschen, die zu uns kommen, tun uns gut. Wirtschaftlich, kulturell und als Menschen voller Herz und Sehnsucht. Viele haben sich eingebracht, die schwere deutsche Sprache erlernt und sind im Paketdienst, als Angestellte der Bahn, als Ärzte, in Firmen jeglicher Art, als Busfahrer und Erzieherin angekommen. Sie sind als Nachbarn, Freunde, Hausgenossen, Kolleginnen auch Teil unseres Lebens geworden.“

Deutschland sei längst ein Land, „wo Menschen aus anderen Kulturen und Nationen mit uns leben. Friedlich und in hohem Maße integriert sind sie Teil unserer Gesellschaft. Ob aus Bulgarien, aus der Türkei, ob aus Spanien oder Zentralafrika: Wir leben in einem interkulturellen, vielfältigen und offenen Land.“ Die Debatte, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei, „können wir uns getrost schenken. Wir sind es längst.“ Deshalb bleibe der Leitgedanke als Wirklichkeit und gleichermaßen als Aufgabe den Menschen anvertraut und zugemutet: „Zusammen leben, zusammen wachsen.“

Editha Westmann: Den Heimatlosen und Entwurzelten Schutz zu geben – das galt es 1945 und das gilt es 2019.

Im Anschluss an den Gottesdienst fand ein Empfang im Vestibül der St. Lamberti-Kirche statt. Editha Westmann, Landesbeauftragte für Heimatvertriebene, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler, MdL, die die niedersächsische Landesregierung im Eröffnungsgottesdienst vertrat, betonte in einem Grußwort: „Rund 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat noch immer jeder vierte Deutsche einen familiären Bezug zu Flucht und Vertreibung. Das Thema ist für uns weder ausgestanden noch überholt. Es steht vielmehr in Wechselbeziehung mit den Bildern, die uns aus dem Nahen Osten, Nordafrika und vom Mittelmeer erreichen. Den Heimatlosen und Entwurzelten Schutz zu geben – das galt es 1945 und das gilt es 2019.“ Die interkulturelle Woche der evangelischen Kirche mache darauf aufmerksam.

Um dem Leben Brücken oder Anlegestellen bauen zu können, brauche man einen solchen festen Grund. Einen solchen festen Grund könne der Glaube schaffen, ihn könne auch ein weltliches Normengefüge ausmachen, auf jeden Fall gehe es um Identität und Selbstverständnis, so Westmann. „Wir sollten aus den leidvollen Erfahrungen der Erlebnisgeneration aktuelle Botschaften formulieren, mit denen auch die Enkel und Urenkel etwas anfangen können. Es geht um ein geeintes Europa, mit Nachbarn, die in Frieden und Freiheit miteinander leben.“

Monsignore Bernd Winter vom Bischöflich-Münsterschen Offizialat in Vechta sagte in seinem Grußwort, dass in Deutschland Menschen lebten aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern, ethnisch zugehörig zu ganz unterschiedlichen Völkern der Welt und geprägt von ganz unterschiedlichen Religionen. Darin liege zwar Konfliktpotenzial, doch es reiche nicht, die Situation immer wieder zu thematisieren und die Schwierigkeiten zu beklagen.

Es gehe darum, eine große Menschheitsleistung zu erbringen, so Monsignore Winter. „Wir müssen uns einer großen Anstrengung unterziehen: Wir müssen identifizieren und erringen, was für uns aus unterschiedlichen Kulturen stammende Menschen eine gemeinsame Meta-Kultur werden kann“. Es gelte herauszufinden, „was uns gemeinsam prägt und unser Miteinander ein respektvolles, ein wohlwollendes, ein für alle förderliches Miteinander sein lässt.“ Zentral seien dabei die Menschenrechte. „Das Recht eines jeden auf sein eigenes Leben, auf Unversehrtheit, auf die unbedingte Anerkennung seiner persönlichen Würde, auf Freiheit: das ist nicht verhandelbar.“

Oberlandeskirchenrätin Andrea Radtke, Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, betonte in ihrem Grußwort, dass viele der haupt- und ehrenamtlich Tätigen in den Kirchen, die sich seit Jahren für von Flucht und Verfolgung bedrohte Menschen einsetzten, einen wichtigen Beitrag für die Integration dieser Menschen in die Gesellschaft leisteten und dazu beitrügen, das friedliche Zusammenleben als bleibende Aufgabe anzunehmen. „Sie bauen den Geflüchteten Brücken in das Leben hier in unserem Land in aller kulturellen und religiösen Vielfalt und richten den Blick nach vorn“, so Radtke.

Der Zusammenhalt in der demokratischen, pluralen Gesellschaft sei kein Selbstläufer, betonte Oberlandeskirchenrätin Radtke. Er müsse gepflegt und ausgebaut werden. Seit jeher setzten sich Kirche und Diakonie in Niedersachsen für Menschen aus anderen Herkunftsländern ein. Zur Bewältigung der mit dem Thema Flucht und Migration verbundenen Herausforderungen hätten viele Kirchengemeinden und diakonische Einrichtungen erhebliche personelle und finanzielle Ressourcen eingesetzt und sie würden dies auch immer noch tun. Dies trage dazu bei, dass Kirche und Diakonie in Niedersachsen als zuverlässige Partner in der Zivilgesellschaft verlässlich mit dem Land und Dritten zusammenarbeiteten.

Am Gottesdienst wirken weiterhin mit: Landeskirchenmusikdirektorin Beate Besser, Pfarrerin Brigitte Gläser, Leiterin der Akademie der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg; Pfarrer Olaf Grobleben, Beauftragter für Ethik und Weltanschauungsfragen sowie Islambeauftragter der oldenburgischen Kirche; und Pfarrer Christian Lühder aus Oldenburg.

Interkulturelle Woche 2019
Die Interkulturelle Woche ist seit 1975 Jahren ein ökumenisches Projekt der Evangelischen Kirche in Deutschland, der Deutschen Bischofskonferenz und der Orthodoxen Bischofskonferenz. Die Kirchen haben sich dabei immer auch politisch positioniert. Die Interkulturelle Woche wird von Kirchen und Religionsgemeinschaften, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften, Integrationsbeiräten und -beauftragten und Migrantenorganisationen unterstützt und mitgetragen.

Bundesweit steht die 44. Interkulturelle Woche unter dem Leitthema: „Zusammen leben, zusammen wachsen“ und findet vom 22. bis 29. September 2019 statt. Geplant sind mehr als 5.000 Veranstaltungen an über 500 Orten im gesamten Bundesgebiet.

In dem Gemeinsamen Wort zur Interkulturellen Woche 2019 heißt es: „Der Erhalt von Grundrechten und Demokratie geschieht (…) nicht von selbst. Wir sind als Bürgerinnen und Bürger immer wieder neu gefordert, uns dafür einzusetzen, in der Politik, in der Nachbarschaft, in der Kirche, in der Arbeitswelt, in der Freizeit.“ Das Gemeinsame Wort der Kirchen finden Sie unter: www.ekd.de/gemeinsames-wort-der-kirchen-zur-interkulturellen-woche-2019-46292.htm  

Weitere Informationen zur Interkulturellen Woche finden Sie online unter: www.interkulturellewoche.de

PRESSEMITTEILUNG der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg