Ministerpräsident Weil: Reformationstag kann Zusammenhalt stärken

Nachricht 01. November 2018
Ministerpräsident Stephan Weil, Prof. Dr. Horst Dreier und Landesbischof Ralf Meister (v.l.n.r.) beim Reformations-Empfang der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen. Foto: Jens Schulze

Hannover. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sieht im Reformationstag ein wichtiges Datum, um über den Zusammenhalt nachzudenken. "Wir brauchen einen Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält", sagte Weil am Mittwoch in Hannover bei einem Empfang, zum dem die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen anlässlich des neuen Feiertages eingeladen hatte. Er wünsche sich, dass sich der Reformationstag als ein Zentrum der interreligiösen Zusammenarbeit etabliere.

In Niedersachsen habe es an diesem ersten gesetzlichen Feiertag mehr als 1.000 Veranstaltungen gegeben, davon seien viele betont interkonfessionell und auf Zusammenarbeit angelegt gewesen. "Ich hoffe, dass das der Beginn eines schönen Kapitels unserer Entwicklung in Niedersachsen ist." Weil erinnerte an die kontroverse Debatte über den Feiertag und an die Kritik aus den jüdischen Gemeinden. Die Diskussionen seien wichtig gewesen. Eine Würdigung der Reformation sei jedoch alles andere als ihre Glorifizierung. Auch die Fehler, Irrtümer und schweren Sünden würden dabei bedacht.

Der Ratsvorsitzende der Konföderation, Landesbischof Ralf Meister, bedankte sich bei Weil und dem CDU-Landeschef Bernd Althusmann für die politische Entscheidung, den Reformationstag zum gesetzlichen Feiertag zu machen. Die Reformation habe eine Bildungsinitiative begründet, die bis heute nachwirke. Er hoffe, dass der 31. Oktober zu einem "Thinktank" und einem festen Baustein für die Lerngeschichte des Landes werden könne.

Der Würzburger Rechtsphilosoph Horst Dreier skizzierte bei dem Empfang das Spannungsverhältnis zwischen der Religionsfreiheit und dem weltanschaulichen Neutralitätsgebot des säkularen Staates. "Der Staat darf sich nicht mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung identifizieren", betonte er. Allerdings biete er zugleich den Religionen und Weltanschauungsgemeinschaften das Recht, sich frei zu entfalten. Deswegen kämen Privilegien, die früher nur die Kirchen in Anspruch genommen hätten wie der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, heute vielen Gemeinschaften zugute. Dazu zählten auch jüdische Gemeinden und der Humanistische Verband Niedersachsen.

In Deutschland sei der weltanschaulich neutrale Staat nicht am "politikwissenschaftlichen Reißbrett" entworfen worden, sondern er sei ein Produkt unterschiedlicher politischer und gesellschaftlicher Kräfte. Es handele sich um einen demokratischen Kompromiss, sagte Dreier laut Redemanuskript. Extrempositionen hätten sich nicht durchsetzen können.

Vor der Marktkirche protestierten einige Anhänger der Giordano-Bruno-Stiftung mit einer nackten Skulptur des Reformators Martin Luther gegen den Reformationstag. Landesbischof Meister sagte dem epd, die Aktion sei eine provozierende Form in der Auseinandersetzung mit den Schattenseiten des Reformation: "Damit müssen wir uns beschäftigen und das haben wir auch getan." Stadtsuperintendent Hans-Martin Heinemann sagte, die Judenfeindlichkeit Europas und der Christenheit zur damaligen Zeit seien eine traurige Wahrheit: "Luther hat sie nicht erfunden, sich aber kräftig daran beteiligt."

Der Reformationstag wird in diesem Jahr in Norddeutschland erstmals als regulärer Feiertag begangen. Der Tag erinnert an die Veröffentlichung der 95 Thesen gegen Missstände in der mittelalterlichen Kirche durch Luther am 31. Oktober 1517.

Reformationstag steht im Zeichen von Religions- und Meinungsfreiheit

Hannover/Braunschweig (epd). Die Bischöfe und leitenden Theologen in Niedersachsen und Bremen haben am Reformationstag die Religions- und Meinungsfreiheit in den Mittelpunkt ihrer Predigten gestellt. Der hannoversche Landesbischof Ralf Meister sagte in seiner Predigt in der Marktkirche, die "Rücksichtnahme auf die Freiheit anderer ist gerade keine Einschränkung meiner Freiheit, sondern ein Ausdruck meiner Freiheit".

Dies sei vielleicht die schwierigste und entscheidende Botschaft des Reformationstages: "Wir sind frei, dem Zorn zu gehorchen oder die Versöhnung zu suchen! Wir sind frei, uns nur um uns selbst zu kümmern oder das Wohl der Gemeinschaft in den Blick zu nehmen", sagte der evangelische Theologe. In Norddeutschland war der Reformationstag in diesem Jahr erstmals ein gesetzlicher Feiertag.

Um den jüdisch-christlichen Dialog zu stärken, hatte Meister den Rabbiner Gabor Lengyel aus Hannover zu einer Diskussion "Was gesagt werden muss. Reformation und Judentum" am Dienstagabend eingeladen. Der Rabbiner ermutigte Pastoren und Rabbiner dazu, verstärkt politische Predigten gegen Rassismus zu halten. "Wenn in unserer Gesellschaft Grundsätzliches ins Rutschen gerät, kann ein Pastor oder Rabbiner nicht schweigen", sagte Lengyel.

Der katholische Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer forderte die Kirchen auf, ihre Einheit zu betonen und die Ökumene ganz neu zu denken. Christen seien aufgerufen, "die Einheit im Glauben schon jetzt zu leben". Egal, welcher Konfession sie angehörten, sollten sie die ihnen von Gott geschenkte Freiheit dazu nutzen, "gemeinsam auf die Unfreiheiten, Ungerechtigkeiten und Schieflagen der Gesellschaft hinzuweisen", sagte Wilmer im evangelischen Braunschweiger Dom.

Der evangelisch-reformierte Kirchenpräsident Martin Heimbucher verurteilte in einem ökumenischen Gottesdienst den Missbrauch in den Kirchen scharf. "Was für ein abgrundtiefer Skandal ist es, wenn in der Kirche bis heute einzelne ihre Macht missbrauchen, um sich andere gefügig zu machen", sagte er am Mittwoch in der Kirche der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde in Westoverledingen-Ihren bei Leer: "So etwas schreit nach der Befreiung, die Christus schenkt, und nach der Entmachtung derer, die andere für ihre eigenen Bedürfnisse ausnutzen."

Der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe, Karl-Hinrich Manzke, sieht den Reformationstag als große Chance für Gesellschaft und Kirche. Die Reformation im 16. Jahrhundert habe "großartige kulturelle Entwicklungen ermöglicht", sagte er in Bückeburg. Dazu gehörten die Neuentdeckung des persönlichen Glaubens, die Auffassung des Berufes als einer persönlichen Berufung und die Entwicklung zur Religionsfreiheit. Diese Errungenschaften könnten in Erinnerung gerufen werden.

Nach Auffassung des leitenden Bremer Theologen Renke Brahms ermutigt der Reformationstag dazu, ohne Angst auf Veränderungen zuzugehen. Als Beispiel dafür stehe Martin Luther selbst, erläuterte Brahms am Mittwoch in einem ökumenischen Festgottesdienst in der Bremer Kirche Unser Lieben Frauen. "Luther war wahrlich kein Held. Aber sein Glaube an Gott hat ihm die Kraft gegeben, unerschrocken für seine Sache einzustehen." Dieser Glaube vertreibe die Geister der Angst, sagte der theologische Repräsentant der Bremischen Evangelischen Kirche.

Der Reformationstag erinnert an die Veröffentlichung der 95 Thesen gegen Missstände in der mittelalterlichen Kirche durch Martin Luther am 31. Oktober 1517.

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epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen