Evangelische Kirchen erfreut über Reformationstag als neuen Feiertag

Nachricht 19. Juni 2018
Auf einer Pressekonferenz unmittelbar nach der Abstimmung im Landtag zeigten leitende Geistliche aus Niedersachsen ihre Freude über den Beschluss mit einer deutlichen Mehrheit, v.l.: Landesbischof Dr. Karl-Hinrich Manzke, Schaumburg-Lippe, Landesbischof und Vorsitzender des Rates der Konföderation Ralf Meister, Hannover, Kirchenpräsident Dr. Martin Heimbucher, Leer, Landesbischof Dr. Christoph Meyns, Braunschweig.

Hannover (epd). Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen sehen in der Einführung des Reformationstages als neuen gesetzlichen Feiertag im Land eine historische Entscheidung. "Mit dem Reformationstag bekommt Niedersachsen einen Feiertag, der in seiner Gestaltung herausfordernd ist und große Chancen bietet, aber auch unbequem sein kann", sagte der Ratsvorsitzende der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Bischof Ralf Meister, am Dienstag in Hannover. Der Landtag hatte zuvor nach kontroversen Diskussionen mit einer Mehrheit von 100 von insgesamt 137 Stimmen beschlossen, den Reformationstag am 31. Oktober als neuen Feiertag einzuführen.

Der schaumburg-lippische Landesbischof und Catholica-Beauftragte Karl-Hinrich Manzke sagte, er sei erleichtert, dass es ein klares Votum für den Reformationstag gegeben habe. In der Entscheidung sei auch ein Vertrauen zur evangelischen Kirche erkennbar, "dass viele in der politischen Öffentlichkeit uns zutrauen, diesen Tag auch so zu gestalten, dass er nicht konfessionell verengt ist".

Der braunschweigische Landesbischof Christoph Meyns sagte, er sehe in dem Votum eine Verpflichtung, den Tag zu gestalten. Die evangelische Kirche habe sich vor dem 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017 über ein Jahrzehnt sehr intensiv mit ihrer Tradition, den Impulsen für Kirche und Gesellschaft und auch erstmals mit den Schattenseiten der Reformation auseinandergesetzt. Nun gelte es, Formate zu finden, die dieses spiegelten.

Der reformierte Kirchenpräsident Martin Heimbucher betonte, er freue sich für alle Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen, die freihaben. Das passe wunderbar zur Grundbotschaft der Reformation: "Das Entscheidende wird umsonst geschenkt." Der Vertreter im Oldenburger Bischofsamt, Oberkirchenrat Thomas Adomeit, begrüßte ebenfalls die Entscheidung. "Ich bin davon überzeugt, dass dieser Feiertag in unserer Gesellschaft mehrheitsfähig ist." 

Meister versicherte, mehr als 2.000 evangelische Kirchengemeinden in Niedersachsen seien ein Garant dafür, dass der Feiertag breit im Land verankert werde. "Wir wollen in Veranstaltungen und Gottesdiensten in ganz Niedersachsen über unser gesellschaftliches Miteinander ins Gespräch kommen", sagte er. Er sei zuversichtlich, dass es gelingen werde, den Tag als einen Tag für alle Bürgerinnen und Bürger zu feiern.

In Niedersachsen sind bereits neben zahlreichen Gottesdiensten am 31. Oktober auch weitere Veranstaltungen geplant. Bei einem Empfang der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen werde der Rechtsphilosoph Horst Dreier einen Vortrag halten. In Braunschweig wolle man den Reformator Johannes Bugenhagen (1485-1558) würdigen und die soziale Arbeit in den Mittelpunkt stellen, beispielsweise durch eine Ausstellung und mit einer Tour zu sozialen Brennpunkten. In Helmstedt werde ein sogenanntes Reformationsparament vorgestellt, dass von einem berühmten Künstler gemeinsam mit der Paramentenwerkstatt erstellt wurde. Im Schaumburger Land werde es am Vorabend des Reformationstags eine gemeinsame Veranstaltung mit der türkischen Community und der jüdischen Gemeinde geben, bei der das zivilgesellschaftliche Engagement thematisiert werde.

Mit Blick auf den Streit über den neuen Feiertag in den vergangenen Monaten sagte der Bischof, er hoffe, dass sich alle politischen und gesellschaftlichen Akteure wieder aufeinander zu bewegten. Der Reformationstag könne auch als Diskussionsforum genutzt werden. Die jüdischen Gemeinden und die katholische Kirche hatten sich mit Verweis auf die Judenfeindlichkeit des Reformators Martin Luther (1483-1546) und die Kirchenspaltung vor rund 500 Jahren gegen diesen Tag als Feiertag ausgesprochen.

epd

Die Stellungnahmen des Vorsitzenden des Rates der Konföderation evangelischer KIrchen in Niedersachsen, Landesbischof Ralf Meister, Hannover und des Kirchenpräsidenten der Evangelisch-reformierten Kirche, Dr. Martin Heimbucher lesen Sie hier:

Ratsvorsitzender Meister zur Einführung des Reformationtags als gesetzlichen Feiertag

Der Ratsvorsitzende der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, Landesbischof Ralf Meister (Hannover), sagt zur Entscheidung des niedersächsischen Landtags zur Einführung des Reformationstages als gesetzlichen Feiertag:

„Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen freuen sich über die historische Entscheidung des Landtags, den Reformationstag als gesetzlichen Feiertag in Niedersachsen einzuführen. Wir danken allen, die sich in den vergangenen Monaten dafür eingesetzt haben.

Mit dem Reformationstag bekommt Niedersachsen einen Feiertag, der in seiner Gestaltung herausfordernd ist und große Chancen bietet, aber auch unbequem sein kann. Beim Reformationsjubiläum im vergangenen Jahr ist es gelungen, den 31. Oktober religionsübergreifend, ökumenisch und weltoffen zu begehen. Auch die kritische Auseinandersetzung mit theologischen Irrtümern der Reformatoren hat dabei breiten Raum eingenommen. Die große Beteiligung an den Gottesdiensten und Veranstaltungen hat gezeigt, dass der Reformationstag von vielen Menschen in Niedersachsen mitgetragen wird.

Mit der Gestaltung des neuen gesetzlichen Feiertages werden wir daran anknüpfen: Wir wollen in Veranstaltungen und Gottesdiensten in ganz Niedersachsen über unser gesellschaftliches Miteinander ins Gespräch kommen. Das können die großen, übergreifenden Fragestellungen sein: Was bedeutet Freiheit, wenn wir über Datenskandale oder den Schutz von nationalen Grenzen sprechen? Ebenso können aus Anlass des Reformationstages im Dorf oder in der Stadt unterschiedliche Player wie Sportvereine, Feuerwehr, Landfrauen, Kirchen und kommunale Vertreterinnen und Vertreter zusammenkommen, um neue soziale Impulse für das Dorf oder den Stadtteil zu geben. Über 2.000 Kirchengemeinden in ganz Niedersachsen sind ein Garant dafür, den neuen gesetzlichen Feiertag in diesem Sinne breit im ganzen Land zu verankern.

Der Streit um die Einführung des Feiertages wurde in den letzten Wochen und Monaten mit hohem Engagement geführt. Ich hoffe, dass sich jetzt alle politischen und gesellschaftlichen Akteurinnen und Akteure wieder aufeinander zu bewegen und daran mitarbeiten, dass der neue Feiertag ein Feiertag aller Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen wird. Der Reformationstag kann als Diskussionsforum genutzt werden, um über die verschiedenen Standpunkte und Überzeugungen miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn eines ist für mich ganz deutlich: Alle Kulturen sind auf kontinuierliche Reformationen im Sinne von Erneuerungen, Verbesserungen und Umgestaltungen angewiesen.

Ich bin zuversichtlich, dass es gelingen wird, dass wir am 31. Oktober 2018 in ganz Niedersachen den Reformationstag als ein Tag für alle Bürgerinnen und Bürger feiern: Fröhlich, offen, ökumenisch und interreligiös und mit Blick auf die zentralen Fragen unserer Gesellschaft.“

In ganz Niedersachsen sind am 31. Oktober 2018 Gottesdienste sowie weitere Veranstaltungen anlässlich des Reformationstages geplant. In Hannover wird es am Vorabend des Reformationstages eine Veranstaltung zum christlich-jüdischen Dialog geben. Am Reformationstag selbst ist ein zentraler Gottesdienst in der Marktkirche in Hannover sowie ein Empfang im Alten Rathaus der Stadt Hannover geplant. Der Jurist und Rechtsphilosoph Prof. Dr. Horst Dreier (Würzburg) hält hier einen Vortrag.

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Statement von Kirchenpräsident Dr. Martin Heimbucher zur Entscheidung des Niedersächsischen Landtags über den Reformationstag als allgemeinem Feiertag – 19. Juni 2018:

1.       Reformations-Feiertag – „unverdient frei“

Zunächst einmal freue ich mich einfach darüber, dass wir in Zukunft am 31. Oktober allesamt frei haben. Nicht nur Evangelische, sondern auch Katholiken, nicht nur Christen, sondern auch Juden und Muslime, nicht nur religiöse Menschen, sondern auch Menschen ohne Konfession. Alle haben wir nun in Niedersachsen und ganz Norddeutschland frei an diesem Tag. Unverdient frei.

Das freut mich auch deshalb, weil genau das auch ein biblisch-reformatorischer Grundsatz ist: Am Sabbat, Feiertag, am Sonntag haben alle frei, nicht nur die Angehörigen einer einzigen Glaubensgemeinschaft. Das ist ein schönes Zeichen dafür, dass wir uns das Entscheidende im Leben nicht selber verdienen und erarbeiten können, sondern dass uns das Entscheidende von Gott unverdient geschenkt ist, gratis, sola gratia, wie die Reformation sagt, allein aus Gnade.

2.       Reformations-Feiertag – „beharrlich ökumenisch“

Sodann werden wir für alle unsere Gemeinden die Parole ausgegeben: „Was immer ihr an diesem Reformationsfeiertag nun veranstaltet, eure Gottesdienste, eure Vorträge, eure Konzerte, eure Ausstellungen: Tut es gemeinsam mit anderen Gemeinden und ladet überkonfessionell dazu ein!“ In meiner Heimatstadt Leer haben schon viele Sonntage und Gedenktage im Jahr ökumenischen Charakter; das heißt, sie werden von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK) gemeinsam verantwortet. In der kritischen Erinnerung an die Reformation suchen wir das Gemeinsame der verschiedenen Konfessionen. Es soll kein Einzelfall bleiben, dass in den Gottesdiensten zum Reformationstag ein katholischer Prediger zu Wort kommt. So haben wir es schon im Jubiläumsjahr 2017 gehalten. Und so werden wir es auch weiterhin tun.

3.       Reformationsfeiertag - „friedfertig im Streit“

Wir werden auch im Gespräch bleiben und nötigenfalls friedfertig streiten mit denen, die sich gegen diesen Reformationstag ausgesprochen haben. Dass uns die antisemitischen Ausfälle Luthers ein Gräuel sind, das haben wir 2017 ein für allemal gesagt und dabei bleibt es auch. Aber die Tatsache, dass auch Erasmus von Rotterdam, der große europäische Humanist, nicht weniger antisemitisch geredet hat als Luther, wird uns nicht verleiten, Erasmus mit seinem gesamten Lebenswerk zu verdammen. Harte Kritik ist hier und da verlangt und zugleich die Fähigkeit, zu differenzieren. Auch das kann man in der Beschäftigung mit der Reformation lernen.

Wir werden aus Anlass des Reformations-Feiertages erneut das Gespräch suchen mit unseren jüdischen Nachbarn. Und wir werden sie fragen: Was ist eigentlich mit eurer Reformation und mit euren Reformatoren? Es gibt sie doch, in der Geschichte und auch in der Gegenwart: Den großen Moses Mendelssohn, der das Judentum mit der Aufklärung versöhnt hat, oder Martin Buber, der das dialogische Prinzip in der jüdischen Überlieferung verwurzelt hat. In unserem gemeinsamen ökumenischen Zentrum Kloster Frenswegen in der Grafschaft haben wir in diesem Jahr zum Reformationstag eine Veranstaltung im Umkreis dieser Thematik geplant.

19. Juni 2018