Kritik an Internetportal als "Denunziationshilfe"

Nachricht 18. Dezember 2018
Foto: Sergey Zolkin/Unsplash

Hannover. Begleitet von scharfer Kritik hat die AfD in Niedersachsen am Montag ihr umstrittenes "Info-Portal" für Schulen freigeschaltet. Dort könnten sich Schüler oder Eltern bei der Landtagsfraktion über Verstöße von Lehrern gegen das Neutralitätsgebot beschweren, sagte der bildungspolitische Sprecher der Fraktion, Harm Rykena: "Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass bestimmte Verhaltensweisen an den Schulen nicht in Ordnung sind."

Die anderen im Landtag vertretenen Fraktionen sowie Lehrerverbände lehnten die Aktion strikt ab und bezeichneten sie als "Denunziationshilfe" oder "Pranger" für Lehrer. Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) kritisierte, das Portal vergifte das Schulklima. Auch die evangelische Kirche wandte sich gegen das Portal. Ähnliche Portale der AfD bestehen bereits in Hamburg und anderen Bundesländern.

Die evangelische Bildungsexpertin Kerstin Gäfgen-Track sagte, es sei ein Angriff auf die Freiheit, "wenn Schülerinnen und Schüler und Eltern aufgefordert werden, Lehrkräfte zu denunzieren und ihre Meinung zu zensieren". Es sei wichtig, dass Lehrkräfte frei ihre Meinung sagen könnten. "Nur so bleibt Schule ein Ort, an dem nach der Wahrheit gefragt, Toleranz geübt und der für die Demokratie unverzichtbare argumentative Dialog eingeübt wird."

Rykena sagte, die Webseite wolle unter der Überschrift "Neutrale Lehrer" dazu beitragen, dass Schüler und Lehrer im Unterricht frei ihre Meinung äußern könnten. Auf der Seite wendet sich die Fraktion unter anderem gegen "AfD-Bashing", aus ihrer Sicht fehlerhafte Unterrichtsmaterialien und Ankündigungen von Demonstrationen gegen die AfD durch die Schule. Er habe den Eindruck, dass bestimmte Meinungen an Schulen unerwünscht seien.

Die Landesschulbehörde müsse dagegen vorgehen, doch sie komme ihrer Pflicht zurzeit nicht nach, sagte Rykena. Die Möglichkeit, sich dort anonym zu beschweren, sei abgeschaltet. Die AfD wolle die eingegangenen Beschwerden an die Behörde weiterleiten und so als "Scharnier" zwischen den Betroffenen und der Behörde fungieren. Die schon im Vorfeld geäußerte Kritik des Kultusministers und des Ministerpräsidenten sei ein Skandal, sagte Rykena.

Kultusminister Tonne verurteilte die Aktion. "Dieses Portal dient einzig und allein dazu, das Klima in der Schule zu vergiften", sagte er. Das Ministerium stärke den Lehrkräften den Rücken, für Vielfalt und Demokratie zu werben.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte bereits am Sonntag im NDR gesagt, ein Portal, das einzelne Lehrer im Internet an den Prager stelle, sei widerlich. Er rief die Lehrer dazu auf, sich nicht einschüchtern zu lassen.

Heftige Kritik kam auch von CDU, FDP und Grünen. Der niedersächsische CDU-Generalsekretär Kai Seefried sprach von einem peinlichen Meldeportal. "Wer ernsthaft meint, Schulen und Lehrer zu denunzieren, hat die Demokratie nicht verstanden", sagte er. "Wer heute Lehrer politisch brandmarkt, führt morgen Andersdenkende in Zwangsjacken ab."

Julia Willie Hamburg von den Grünen sagte: "Mit dieser Plattform zeigt die AfD erneut, dass sie niemanden duldet, der eine andere Weltsicht hat. Demokratieerziehung geht anders." Die FDP sprach von "PR-Getöse, um mal wieder in die Schlagzeilen zu kommen".

Der Vorsitzende des Philologenverbandes Niedersachsen, Horst Audritz, sieht mit dem Portal eine Grenze erreicht, die nicht überschritten werden dürfe. Damit mache die AfD deutlich, dass sie die Demokratie und ihre Grundwerte infrage stelle. Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte hält das Portal für ein "absolutes No-Go". Es sei "absolut inakzeptabel", Lehrerinnen und Lehrern eine solche Missachtung zuteilwerden zu lassen. Diese machten keine Politik gegen eine Partei.

epd Landesdienst Niedersachsen-Bremen